In unserem ersten Beitrag begegnet die Bloggerin Nanni von Fantasie und Träumerei dem Autor Anthony Ryan. Sie wird uns nun eine kleine Einführung in seine Werke geben und anschließend dürft Ihr ein spannendes Interview mit Ihm lesen. Seid also gespannt, was uns heute alles erwartet.
Wer ist Anthony Ryan?
Anthony Ryan wurde 1970 in Schottland geboren und lebt heute in London. „Das Lied des Blutes“ veröffentlichte er zunächst als Selfpublisher, wurde dann aber von Penguin Books unter Vertrag genommen und schrieb daraufhin aus einem Einzelband heraus die „Rabenschatten“– Trilogie, die in der deutschen Übersetzung bei der Hobbit Presse erschien. Seit Herbst 2017 ist der Auftaktband der neuen Trilogie „Draconis Memoria“ erhältlich, der in 2018 mit Band 2 „Das Heer des weißen Drachen“ fortgesetzt wird. Ryan hat sich mit seinen Büchern etabliert und gilt als einer der erfolgreichsten britischen Fantasyautoren der Gegenwart.
Rabenschatten Trilogie
Im Mittelpunkt der Rabenschatten Trilogie steht Vaelis al Sorna, der Sohn des Kriegsherrn des Königs, der gemeinsam mit anderen jungen Männern, in einem Kloster zu einem Krieger ausgebildet wird. Die Burschen sollen zu stahlharten Männern werden, koste es was es wolle. So lernt Vaelin schon früh mit dem Verlust liebgewonnener Freunde umzugehen.Vaelin ist gerecht und ein guter Kämpfer, doch er birgt ein Geheimnis, das zur Verurteilung zum Tode führen könnte. In ihm wohnt Magie. Er hört das Lied des Todes, kann es singen, wird eins mit ihm und weiß, wann es gnadenlos zuschlägt. Er ist eine Art Hellseher und doch etwas anderes. Er ist eins geworden mit einer Magie, die ihn manchmal rettet, aber zugleich in einen düsteren Abgrund zieht. Vaelin wird einer der Helden, über den große Lieder gesungen werden. Die Rabenschatten Trilogie ist die Geschichte seines Lebens.
In „Das Lied des Blutes“, das der Auftakt dieser extrem spannenden und vielschichtigen Trilogie ist, können LeserInnen die Ausbildung Vaelins verfolgen. Wie er zu dem wird, der er ist. Sie lernen ein paar weitere wichtige Figuren kennen, welche wichtig für die weitere Handlung sein werden. Es ist eine Art Einführung in eine Geschichte, die noch komplexer wird, als erwartet und LeserInnen von jeglichem schwarz-weiß Denken entbindet.
Band 2 ist „Der Herr des Turmes“. Verschiedene Erzählebenen sorgen dafür, dass die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zusammengeführt wird. Es ist der klassische Zwischenband, der direkt mit den Lesern kommuniziert. Er verändert Perspektiven und Protagonisten und lässt die LeserInnen am Ende mit einem Cliffhanger zurück, der nicht nur Fragen zum Inhalt des Romans aufwirft, sondern auch solche, über die man sich vielleicht schon häufiger Gedanken gemacht hat.
Wie entsteht Gut und Böse? Darf ich eine Handlung in eine Schublade stecken ohne sie zu hinterfragen? Bewegen wir uns immer auf einer geraden Linie, ohne uns vom Weg, von unseren Werten und Vorstellungen abbringen zu lassen? Den Abschluss bildet „Die Königin der Flammen“, ein nochmals ziemlich dicker Roman, zu dem ich natürlich nicht allzu viel sagen kann, ohne dem/der LeserIn vorweg zu nehmen wie die Trilogie endet. So viel sei gesagt: Band 3 lebt von der Veränderung der Protagonisten, die sich plötzlich nicht nur neuen Strukturen in ihrem Leben gegenüber sehen, sondern auch mit ihrer veränderten Position im Großen und Ganzen zurechtkommen müssen. Es gibt einige Überraschungen, die ich beim Lesen der anderen beiden Bücher nicht für den Abschluss vorgesehen hätte. Hier und da hätte man vielleicht einige Stellen wegkürzen können, aber insgesamt ist es eine runde Trilogie, in der Fantasyliebhaber voll auf ihre Kosten kommen.
Draconis Memoria
Bisher ist erst „Das Erwachen des Feuers“ der Draconis Memoria Trilogie erschienen. Im September 2018 kommt dann die Fortsetzung „Das Heer des weißen Drachen“ auf den Markt.
Draconis Memoria begeistert mit einem großartigen und fantasievollen Weltenbau. Mit Protagonisten, die charakterlich so klar und doch komplex konzipiert sind, dass sie voller Leben stecken. In dieser Trilogie beweist Ryan welches schriftstellerische Können in ihm steckt. Er erinnert an Autoren wie Melville und May, die Abenteuer von greifbarer Authentizität erarbeiten konnten, ohne je eins erlebt zu haben. So bekommen LeserInnen auch in Draconis Memoria das Gefühl, selbst auf die Suche nach dem mysteriösen weißen Drachen zu gehen. Schlüpfen mal in die Rolle von Geheimagentin Lizanne Lethridge, Leutnant Hilmore oder werden zu Claydon Torcreek dem unregistrierten Blutgesegneten, der sich als Dieb durchschlägt.
Das Setting ist ein wenig Viktorianisch aufgebaut. Neben Drachen und Magie, gibt es Technik und Waffen, die auf einen Handlungszeitraum um 19. Jahrhundert angelehnt sind. Piraterie und Kolonialismus spielen ebenfalls eine Rolle. Ryan zeigt wie spannend es sein kann historische Realität mit Phantastik zu verweben.
Warum sollte man Anthony Ryans Geschichten lesen?
Während ich diesen Beitrag schreibe, bekomme ich schon wieder Lust darauf Ryans Bücher zu lesen. Als Drachenfan hat es mir besonders Draconis Memoria angetan. Doch es sind nicht nur die Drachen, die mich an dieses Buch binden. Es ist der Duft von Abenteuer, der Rausch etwas zu erleben, der Fantasie freien Lauf zu lassen, aufzubrechen ins Ungewisse. Es die Art, wie ich diese Geschichte spüren kann. Wie sie zu meiner eigenen Wirklichkeit wird und mir etwas ermöglicht, was in meiner Realität nicht machbar ist. Sie holt mich ab, nimmt mich mit auf eine Reise in eine Welt, die ich jederzeit betreten und verlassen kann und die ich anders empfinde, als andere LeserInnen, weil meine eigene Fantasie ihr Übriges gibt.
Das können nur Bücher und ich habe das Gefühl, das Ryan etwas nutzt, das anderen AutorInnen ebenfalls vor den Füßen liegt, das von ihnen aber mit mehr oder weniger großen Schritten übergangen wird. Auch mit der Rabenschatten Trilogie konnte er mich als Leserin gewinnen, weil er sich von einer breiten Masse immer gleich ablaufender Schemata abhebt. Gerade im Fantasygenre begegnen wir häufig recht ähnlichen Protagonisten, die sich in ähnlich verlaufenden Erzählungen bewegen. Schnell wird alles zu Brei und das Lesen zu einer eher zähen Freizeitbeschäftigung.
Ryan gibt sowohl seinen Figuren, als auch deren Handlungen Charakter. Sie sind keine Stereotypen, die bis zum Ende ein Muster einhalten, sondern lassen sich immer wieder (mal positiv, mal negativ) beeinflussen und bekommen dadurch einen höheren Grad an Authentizität. Bekommen Schichten, die sie dreidimensional wirken lassen. Das können natürlich auch andere AutorInnen, aber Ryan ist für mich ein gutes Beispiel dafür wie wichtig es ist, nicht in Schubladen zu denken.Ryan zeigt was mit phantastischer Literatur möglich ist. Eben alles. Und trotzdem bleibt er in einem Rahmen, der ihm eine Zuordnung in der High Fantasy ermöglicht, der den LeserInnen Identifikationsmöglichkeiten bietet, weil sie genau wissen, wo sie abgeholt werden. Wo der Weg hingeht ist eine andere Sache.
Ich für meinen Teil freue mich schon jetzt darauf im Herbst wieder eine Reise mit Ryan anzutreten. Würde beim Gedanken an Draconis Memoria am liebsten meine Wanderschuhe anziehen und meinen Rucksack Schultern und weiß, dass mir beides im Falle, dass ich tatsächlich im Buch leben würde keinen Nutzen bringen könnte, dass ich glücklicherweise aber auf der sicheren Seite der Geschichte sitze.
Interview mit Anthony Ryan
Frage 1
Nanni: Ich habe deine Bücher mit großer Freude gelesen, weil sie viele klassische Elemente der Fantasie enthalten, aber auch, weil sie viele neue Dinge bringen und sich von vielen Büchern abheben. Warum hast du das Fantasy-Genre als dein Schreibgenre gewählt?
Anthony: Die Fantasy-Literatur ist seit meiner Lektüre von »The Book of Three«, als ich etwa zehn Jahre alt war, eine meiner absoluten Leidenschaften geworden. Obwohl ich auch andere Arten von Fiktion lese – hauptsächlich Science-Fiction, Krimi und Horror – hat die Fantasie dennoch mein Hauptinteresse und ist demnach auch das Genre
in dem ich am meisten schreibe. Die Phantasik zieht mich an, weil sie die Erforschung von Themen ermöglicht, die sich nicht an die reale Weltgeschichte und -kultur anlehnen, obwohl ich beides ausgiebig für meine Geschichten nutze. Ich genieße vorallem den Weltbauprozess und den Sinn der Schöpfung, die er bringt.
Frage 2
Nanni: Ein Thema der Raben-Schatten-Trilogie ist Gerechtigkeit oder Gleichheit aller Menschen. Wie wichtig ist es für dich, deine Leser genauer zu betrachten, bevor sie Sie kritisieren und toleranter und weniger wertend sind?
Anthony: Obwohl ich mich selbst eher als Geschichtenerzähler als als »Nachrichtenschreiber« betrachte, spiegeln die Welten und die Charaktere, die ich erschaffe, in gewisser Weise meine Geschichte und meine Lebenserfahrung wider. Die moderne Welt ist ein toleranterer und fortschrittlicherer Ort als der, in dem ich aufgewachsen bin, trotz einiger Bemühungen, die Uhr zurück zu drehen. Ich lebe in einer Gesellschaft mit vielen Farben und Glaubensbekenntnissen, in der die Sexualität der Erwachsenen nicht geregelt ist und ich persönlich mag es so. Ich denke jedoch, dass unser modernes Empfinden dazu führen kann, dass andere Perioden in der Geschichte viel weniger tolerant sind, als sie tatsächlich waren. Einstellungen, die wir als ho
mophob oder rassistisch betrachten, gab es oft weder in der mittelalterlichen, noch in der antiken Welt und die Sprache der Intoleranz und des Hasses, wie wir sie verstehen, spiegelt eher die zeitgenössische als die traditionelle Bigotterie wider.
Frage 3
Nanni: Gut und Böse sind in den Romanen nicht klar definiert. Wie wichtig ist dir die Vielschichtigkeit deiner Charaktere?
Anthony: Ich habe noch nie jemanden getroffen, der einem Stereotyp entspricht, den ich bewusst bei der Konzeption von Charakteren vermeiden möchte. Es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass die bösartigsten Menschen in der Geschichte normalerweise geglaubt haben, dass sie gute Jungs sind. Kein Fantasy-Roman wird jemals wirklich realistisch sein, aber ich strebe immer ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit in der Art und Weise an, wie die Welt aufgebaut ist. Die reale Weltgeschichte existiert als ein sich ständig verändernder Flickenteppich aus grauen Bereichen, und so sollte eine Fantasy-Welt, wenn Sie wollen, dass sich die Leser mit mehr als einer oberflächlichen Ebene beschäftigen.
Frage 4
Nanni: Draconis Memoria hat mich besonders wegen des Abenteuergeistes angesprochen, der in der Atmosphäre des Buches zu spüren war. Bist du auch ein Abenteurer im echten Leben oder möchtest du sie lieber durch deine Charaktere erleben?
Anthony: Ich hatte verschiedene abenteuerliche Episoden in meiner zunehmend entfernten Jugend, aber nichts ist vergleichbar mit meinen Charakteren. In diesen Tagen bin ich mehr als zufrieden damit, stellvertretend durch sie zu leben. Abgesehen davon habe ich ein paar Ziele auf meiner »Bucketlist«, wie zum Beispiel das Aurora Borealis eines Tages und eine Reise in die Antarktis.
Frage 5
Nanni: Welche drei Bücher sind deine absoluten Favoriten?
Anthony: Meine Liste der Lieblingsbücher ändert sich von Woche zu Woche, aber wenn ich drei auswählen müsste, würde ich mich für »Wolf in Shadow« von David Gemmell, »Neuromancer« von William Gibson und »The Dead Zone« von Stephen King entscheiden.
Vielen Dank an die liebe Nanni für ihren tollen Beitrag zu Anthony Ryan, besucht Sie doch gerne auf ihrem Blog und/oder auf ihren Social Media Kanälen.
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