Da denkt man, man kenne sich im Fantasy-Genre aus. Romane, die als »Klassiker der Fantasy-Literatur« bezeichnet werden, hat man natürlich schon alle gelesen, oder zumindest von ihnen gehört. Tolkien, Rowling, Pullman, Rothfuss, Martin; all diese Namen sind einem mehr als geläufig. Und dann schlägt man die neue Ausgabe der »Tolkien-Times« der Hobbit Presse auf, in der eine neue Fantasy-Reihe vorgestellt wird: Die »Chroniken von Amber«. Aber Moment: neu ist diese Reihe nicht. Vielmehr handelt es sich dabei angeblich um einen der »Klassiker der Fantasy-Literatur«, und zwar um einen, von dem ich selbst noch nie gehört hatte. Tja, man lernt wohl nie aus. Das reicht schon mal, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Als nächstes werfe ich einen Blick auf die fünf Cover, die nebeneinander abgebildet sind: Die Aufmachung ist wirklich wunderschön, jedes Cover bildet einen anderen hübschen jungen Mann in der Kleidung eines Adeligen ab, und ist farblich anders gestaltet. Als ich dann auch noch sehe, dass jedes Buch einen passenden, farbigen Buchschnitt hat, ist es endgültig um mich geschehen. Den Klappentext brauche ich eigentlich schon nicht mehr lesen, denn da ich schön gestalteten Büchern nicht wiederstehen kann, ist die Entscheidung zum Kauf schon längst gefallen. Trotzdem lese ich die Beschreibung zum Buch, die mich in meiner Entscheidung nur noch mehr bestätigt. Zum Glück verrät der Klappentext nicht zu viel über den Inhalt des Buches und das möchte ich an dieser Stelle auch nicht tun.
So viel sei gesagt: Corwin wacht nach einem Autounfall ohne Erinnerungen in einem Krankenhaus in New York auf. Schon bald findet er heraus, dass seine Familie mit diesem Unfall zu tun hatte. Corwin gehört zur königlichen Familie von Amber, und er und seine Brüder sind sich alles andere als einig über die Thronfolge. Amber ist das magische Königreich, welches das Vorbild und der Mittelpunkt von allem ist. Alle anderen Welten sind nur eine blasse Kopie der wundervollen Welt von Amber.
Da mich an diesem Buch wirklich alles überzeugt, wird es natürlich sofort gekauft und auch gelesen, und ich kann nur sagen: Es hat sich gelohnt! George R. R. Martin hat über dieses Buch gesagt, es sei das »exotischste«, was die Fantasy-Literatur zu bieten habe, und mit diesem Wort hat er es perfekt beschrieben. Die Idee, dass ein Königreich als Mittelpunkt des Universums existiert und nach dessen Vorbild selbst unsere Welt errichtet wurde, die jedoch nur eine blasse Kopie von Amber darstellt, ist meiner Meinung nach unglaublich kreativ und einzigartig. Allein der Weg, den man beschreiten muss, um nach Amber zu gelangen, ist interessant und wird sehr bildhaft beschrieben. Da »Die Neun Prinzen von Amber« erst der erste von fünf Teilen der Reihe ist, hat der Leser leider noch nicht die Möglichkeit Amber in all seiner Pracht kennenzulernen, doch das folgt hoffentlich noch in den weiteren Bänden.
Ein weiterer Aspekt, den ich an dem Buch sehr interessant finde, ist, dass der Erzähler Corwin zu Beginn der Geschichte über keine Erinnerungen verfügt und deshalb ebenso wenig über die Geschehnisse Bescheid weiß, wie der Leser selbst. Dadurch fühlt man sich Corwin sehr nah und versucht gemeinsam mit ihm das Geheimnis um seine Familie und das Königreich Amber zu lüften. Ein wenig frustrierend ist es natürlich schon, wenn man vollkommen im Dunkeln tappt, jedoch habe ich dadurch nur umso mehr mitgefiebert und hatte selbst Spaß daran, mir zu erschließen, was Corwin noch nicht weiß.
Corwin hat, wie der Titel des Buches schon vermuten lässt, acht Brüder, von denen die meisten ein gewisses Interesse am Thron haben, oder die zumindest auf der Seite desjenigen stehen wollen, der am Ende König ist. Daraus entsteht ein Machtkampf, und schon zu Beginn der Geschichte wird deutlich, dass man niemandem trauen kann. Die Intrigen und Machtspiele der königlichen Familie sind interessant und zuweilen auch ein wenig brutal, was mir sehr gut gefallen hat. Leider fehlt es den Charakteren (mit Außnahme von Corwin) an Tiefe. Für die relativ geringe Seitenzahl des Buches werden verhältnismäßig viele Charaktere eingeführt und es gibt wenig Zeit, die einzelnen Personen ordentlich auszuarbeiten. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass auch der Familienkonflikt nur oberflächlich behandelt wird und es dort noch viel mehr gibt, allerdings gibt es natürlich noch vier weitere Bücher, in denen auf die Charaktere und den Konflikt näher eingegangen werden könnte. Das Buch steht definitiv nicht für sich selbst und es wird am Ende einiges offen gelassen.
Für mich ist »Die neun Prinzen von Amber« ein vielversprechender Auftakt einer nicht mehr ganz so neuen Fantasy-Reihe. Ich bin froh, dass die Hobbit Presse der Reihe ein so wunderschönes neues Gewand gegeben hat und mich somit auf einen weiteren Fantasy-Klassiker aufmerksam gemacht hat. Ich hoffe, dass »Die Chroniken von Amber« durch diese Neuauflage viele neue Leser hinzugewinnen wird und freue mich schon auf den zweitenTeil, der schon im November erscheinen wird.
Danke Jennifer Wilken für deinen Leseeindruck!